Luftreinhalteplan und Müllverbrennung

Im Juli/August lag der Entwurf des Luftreinhalteplans für Rostock aus. Bis zum 20.8. konnten Ergänzungen, Einwände und Anregungen vorgebracht werden. Beide Termine sind abgelaufen – Zeit für den Versuch einer kurzen Einschätzung aus der Sicht der Rostocker Initiative für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung e.V.



Die Initiative vermisst in dem Entwurf die explizite Berücksichtigung der genehmigten und im Bau befindlichen Müllverbrennungsanlage (MVA, „Sekundär-Brennstoff-Heizkraftwerk“) im Rostocker Überseehafen. Mehr noch: Bezüglich der Belastungen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen wird im Entwurf des Luftreinhalteplans für das Prognosejahr 2010 gegenüber 2006 eingeschätzt, „dass sich der Ausstoß von Feinstaub und Stickoxiden nicht wesentlich ändern wird“. Mit anderen Worten: Der Entwurf ignoriert, dass die MVA im Herbst 2008 in Betrieb gehen soll.



Auch mit den anderen gewerblichen Luftbelastern geht der Entwurf sehr milde um. Sie werden im einzelnen nicht genannt. Die Darstellung ihres Gesamtanteils an der Luftbelastung beruht lediglich auf den Eigenerklärungen der Betriebe aus dem Jahr 2004 (!). Eine Aufschlüsselung auf die einzelnen Betriebe fehlt. Behördliche Messungen scheint es nicht zu geben.



Die vorhandenen und bis 2010 erwarteten Luftbelastungen werden vor allem dem Straßenverkehr zugeordnet – getreu dem Motto, dass die Kraftfahrer fast immer die Bösen sind. Dabei stellt das Landesamt für Umwelt, Natur und Geologie ganz aktuell (und in Übereinstimmung mit vielen älteren Befunden) fest, dass der Feinstaub aus den Abgasen von Diesel-Fahrzeugen nur 15 Prozent der gesamten Feinstaubbelastung in der Luft ausmacht (Schweriner Volkszeitung vom 20.8.).



Wenn aber in Rostock alles anders und hier der Kraftverkehr wirklich der Hauptverursacher der Luftbelastung ist, warum findet dann der durch den Betrieb der MVA entstehende zusätzliche Lkw-Verkehr keine Berücksichtigung im Entwurf des Luftreinhalteplans? Es sollen bis zu 230.000 Tonnen Müll/Jahr verbrannt werden. Vattenfall als Investor und Betreiber geht davon aus, dass der Müll ausschließlich über die Straße angeliefert wird. Zusätzlich sind die Schlacken und Filterstäube abzutransportieren. Hinzu kommen die Rückfahrten der entleerten Lkw (bei Mülltransportern kann man auf der Rücktour schlecht andere Güter transportieren). Der Planentwurf zur Luftreinhaltung berücksichtigt diese zusätzlichen Lkw-Verkehre offenbar nicht, denn er vermerkt zur Prognose für 2010 lediglich: „Die Änderungen der Verkehrssituation gegenüber 2006 beschränkten sich ebenfalls auf Straßenabschnitte im Innenstadtbereich“.



Wenn dem Straßenverkehr in Rostock wirklich eine so atypisch hohe Bedeutung zukommen sollte, dann bleibt die von den Betroffenen schon lange aufgeworfene Frage zu beantworten, warum die Kfz seit Jahr und Tag beispiellosen „roten Wellen“ unterworfen sind. Es ist ja nicht so, dass die Ampeln unkoordiniert schalten würden. Dann gäbe es ja auf eine grüne Ampel in 50 Prozent aller Fälle auch mal eine grüne Folgeampel. Aber in der rauhen Wirklichkeit schaltet die Folgeampel tagsüber immer genau dann auf rot, wenn man sie erreicht hat. Dort, wo die Ampeln dicht genug hintereinander stehen, kann man diese Verkettung gut beobachten. In den Abend- und Nachtstunden gibt es hingegen grüne Wellen.



Der ampelverursachte Stop- und Go-Betrieb ist so zeit- und kraftstoffzehrend, dass bezweifelt werden muss, grüne Wellen könnten die Schadstoffbelastungen um nur 3 bzw. 4 µg/m³ senken. Die Entlastung dürfte viel intensiver ausfallen. Die Umstellung der Ampelschaltungen auf grüne Wellen sollte unverzüglich umgesetzt werden, also ganz unabhängig von der weiteren Arbeitsschritten bei der Bearbeitung und Verabschiedung des Luftreinhalteplanes. Die konkret erzielten Entlastungen sollten bei der Überarbeitung des Planes berücksichtigt werdem-



Im vorliegenden Entwurf des Luftreinhalteplanes gibt es neben den genannten und anderen Fehlstellen auch erhebliche inhaltliche Widersprüche. So soll die kfz-verursachte Luftbelastung entlang der L22 durch die Senkung der Höchstgeschwindigkeit von bislang 60 auf 50 km/h vermindert werden. An anderer Stelle empfiehlt der Plan die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit von 70 auf 80 km/h (im Warnowtunnel) – auch zur Senkung der Luftschadstoffe. Was senkt denn nun: Schneller oder langsamer fahren?



Ein anderes Beispiel für sehr widersprüchliche Aussagen ist die Bewertung der Messstelle Stuthof. Sie liegt laut Planentwurf einerseits „im Einflussbereich des Industrie- und Hafengebietes“ und soll andererseits den „ländlichen Hintergrund“ repräsentieren. Beides zusammen geht aber nicht! Die Interpretation der Daten dieser Station bleibt daher fragwürdig, weil beliebig dem Hafengebiet oder dem ländlichen Hintergrund zuordenbar.



Der Luftreinhalteplan berücksichtigt nur zwei (NOx und PM10) von vielen Schadstoffparametern . Alle anderen bleiben unberücksichtigt. Beim Feinstaub wird nur die absolute Menge betrachtet, Aussagen zur Schadstoffbelastung der Stäube gibt es nicht. Feinstäube aus Verbrennungsanlagen (Steinkohlekraftwerk, MVA) sind aber stets schadstoffbelastet.



Die ausschließliche Orientierung des Luftreinhalteplans auf die Unterschreitung der Grenzwerte legt dem arglosen Leser die Schlußfolgerung nahe, Belastungen mit NOx oder/und PM10 unterhalb dieser Grenzwerte seien gesundheitlich unbedenklich. Dem ist jedoch nicht so und sollte in der Endfassung des Luftreinhalteplans auch ausdrücklich gesagt werden.



Nach EG-Recht sind Pläne und Programme, die von einer Behörde ausgearbeitet oder angenommen werden, einer strategischen Umweltprüfung zu unterwerfen. Die „Öffentliche Bekanntmachung der Auslegung des Entwurfs des Luftreinhalteplanes Rostock“ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus M-V vermerkt jedoch, „eine Pflicht zur Strategischen Umweltprüfung besteht in diesem Fall nicht“. Warum nicht, bleibt unerklärt. Es darf jedoch als sicher gelten, dass im Fall einer Strategischen Umweltprüfung die zusätzlichen Luftbelastungen durch die MVA hätten beachtet werden müssen.



Die Rostocker Inititative für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft und gegen Mülllverbrennung ist der Auffassung, dass der Entwurf des Luftreinhalteplanes für die Stadt Rostock nach Berücksichtung und Einarbeitung der eingereichten Ergänzungen, Einwände und Anregungen einer Strategischen Umweltprüfung unterworfen und damit der Bevölkerung und der Wirtschaft Rostocks in seiner überarbeiteten Form erneut zugänglich gemacht und zur Diskussion gestellt werden sollte.



Andernfalls müssen die Bürger und Besucher von Rostock eine unnötig belastete Luft schlucken – und die Tourismus- und Gesundheitsbranche wird es mittelfristig auch zu spüren bekommen.



Rostocker Initiative für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung e.V., www.rostock-mva.de, recycling-rostock@freenet.de



19.08.2008