Heuchelei oder Zynismus?
Unter der Überschrift „ Klimawandel kommt auch nach MV“ berichtete die NNN am 22.5.08 über eine Fachtagung „Unsere Umwelt verändert sich – wie reagieren wir?“ und eine veranstaltungsbegleitende „9. Regionale Nachhaltigkeitsausstellung“.
Der Verein „Rostocker Inititative für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung war natürlich nicht eingeladen, weder als Tagungsteilnehmer noch als Aussteller. Wir erfuhren erst aus der Zeitung von diesen Aktivitäten.
Zu diesem Zeitungsartikel schrieben 5 Leser Kommentare:
Der
Titel der Veranstaltung (leider von der NNN verstümmelt) sagt
schon viel: "Unsere Umwelt verändert sich - wie reagieren
wir"? Die Vorträge gaben die Antwort im Sinn der
Veranstalter (StAUN Rostock und Uni): Indem wir die Veränderungen
HINNEHMEN und uns darauf einstellen. NICHT ETWA, INDEM WIR DIE
URSACHEN MINIMIEREN!
So war denn auch eine mögliche
Verringerung der Kohlendioxidemissionen KEIN THEMA, obwohl der
Standort Rostock dafür durchaus Möglichkeiten bietet.
Beispielsweise könnte das Steinkohlekraftwerk bei gleichem
CO2-Ausstoß seinen Wirkungsgrad von rund 40 auf rund 60 %
erhöhen, wenn es seine Wärme nutzbringend abgeben könnte.
Statt dessen sollen die Wärmeabnehmer nach dem Willen von
Vattenfall durch einen zweiten Wärmeerzeuger versorgt werden,
indem neben der Kohle auch noch Müll verbrannt wird. Vor allem
IMPORT-Müll, der im Tourismus- und Gesundheitsland nun wirklich
nichts zu suchen hat. Aus jeder Tonne "Ersatzbrennstoff"
ensteht rund eine Tonne CO2. Bis zu 230.000 t Restmüll sollen
pro Jahr verbrannt werden. Auch wenn die Müllverbrennung alle
Wärme zur Nachnutzung abgeben kann, erreicht sie einen maximalen
Brutto-Wirkungsgrad von rund 40 %. Aber wir wissen alle, brutto ist
nicht gleich netto.
Neben den Vorträgen gab es auch noch
die REGIONALE NACHHALTIGKEITS-Ausstellung. Bezeichnend: Nachhaltig
ist nicht immer gleich zukunftsfähig (beispielsweise ist ein mit
Schwermetallen belasteter Boden nachhaltig versaut, aber nicht mehr
zukunftsfähig). So war denn auch die "Rostocker Initiative
für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft und gegen
Müllverbrennung e.V." nicht eingeladen, nicht einmal als
Zuhörer, geschweige denn als Aussteller.
Weiter so und
wir werden alle in einen nachhaltigen Untergang schliddern.
Dass
ausgerechnet das StAUN Rostock eine Konferenz zum Klimawandel
mitorganisiert, ist entweder Heuchelei oder Zynismus. Schliesslich
ist diese Behörde verantwortlich für die Genehmigung einer
massiven CO2-Schleuder, nämlich der Müllverbrennungsanlage
im Überseehafen. Eine Tonne CO2 entsteht aus jeder Tonne
"Ersatzbrennstoff", wie Abfall gern beschönigend
genannt wird. So etwas in der heutigen Zeit zu genehmigen, ist ganz
sicher nicht im Sinne der "Nachhaltigkeit" gedacht, oder
habe ich diesen modischen Begriff immer falsch verstanden und es geht
nur darum, etwas nachhaltig zu verändern und nicht etwa
zukunftsfähig zu gestalten?
"Wir müssen die
Menschen für das Thema begeistern und nicht nur im eigenen Brei
herumrühren", so Umweltminister Till Backhaus. Wie lässt
sich das mit der fehlenden Öffentlichkeitsbeteiligung am
Genehmigungsverfahren vereinbaren? Das im Bau befindliche
„Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk“ von Vattenfall wurde gegenüber
der 1995 erteilten Genehmigung für eine thermische
Abfallbehandlungsanlage erheblich verändert und in der Kapazität
erweitert. Dennoch entschied das StAUN auf Antrag von Vattenfall (!),
dass die Öffentlichkeit nicht am Genehmigungsverfahren beteiligt
werden müsse. Hat sich gegenüber 1995 etwas geändert?
Ja, das Bewusstsein über die Klimaschädlichkeit von CO2 und
die Gesundheitsgefährdung durch Feinstäube, von denen die
kleinsten und gefährlichsten nicht weggefiltert werden können.
Schon gar nicht durch eine einstufige Filteranlage wie von Vattenfall
für Rostock vorgesehen - andernorts werden 8-stufige
Filteranlagen verwendet. Beim StAUN scheint von der oben genannten
Bewusstseinsveränderung nicht viel angekommen zu sein. Und die
betroffene Bevölkerung wird lieber nicht gefragt.
An die Vorredner: bei der Verbrennung von Müll wird doch Strom produziert, oder? Das ist doch der Sinn der thermischen Verwertung von Müll, der sonst auf Deponien die Umwelt belasten würde. Der hier produzierte und von uns allen gebrauchte Strom müsste sonst in Kraftwerken erzeugt werden, die bei der Verbrennung herkömmlicher Brennstoffe seit Jahrmillionen gebundenen Kohlenstoff in Form von CO2 freisetzen. Zur Erinnerung: Atomstrom wird abgeschafft und für Windkraftwerke werden geeignete und bei der Bevölkerung akzeptierte Standorte schon knapp!
Sehr geehrter Herr Silbermann, die Alternative zur Verbrennung ist nicht die Deponie, sondern die Verwertung. Wenn Sie in einnem klassischen Steinkohlekraftwerk Strom erzeugen, erreichen Sie einen Brutto-Wirkungsgrad von rund 43 % (ozhne Wärmeauskopplung, die nicht an allen Standorten möglich ist und deshalb im Vergleich weggelassen wird). Bei der Müllverbrennung beträgt der Wirkungsgrad knapp 25 % (wiederum ohne Berücksichtigung einer gegebenenfalls möglichen Wärmeauskopplung). Bei der Müllverbrennung entsteht also pro Kilowattstunde wesentlich mehr CO2 als bei der Kohleverbrennung. Zugleich werden die im Restmüll (schönfärberisch "Ersatzbrennstoff" genannt) Wertstoffe vernichtet, statt sie in den Rohstoffkreislauf zurückzuführen. Die Rückgewinnung von sortenreinem Plasten durch Kryorecycling beispielsweise soll nur ein Vierzigstel derjenigen Energie erfordern, die zur Primärherstellung aus Erdöl gebraucht wird. Selbst wenn dieser Faktor überhöht sein sollte, bleibt die Energie- UND Ressourceneinsparung beträchtlich. Mehr dazu unter www.rostock-mva.de!
Wenn Herr Silbermann weiß, wie man Müll ohne CO2-Bildung verbrennen kann, sollte er das schleunigst als Weltpatent anmelden. Er könnte der reichste Mann der Welt werden und der Erde ginge es auch deutlich besser.